Union Is Strength

27.05.2022

Generationenwechsel bei den Landwirten im französischen Département Lozère

10% der Bevölkerung dort lebt von der Landwirtschaft. Die Ersetzung von Landwirten, die in den Ruhestand gehen, ist von entscheidender Bedeutung.

Marion Durand (FR) / Gunnar Hollweg (DE) - Übersetzt von Voxeurop

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Der Familienbetrieb liegt in den Bergen in der Nähe von Mende und umfasst 60 Milchkühe und 50 Fleischkühe
Der Familienbetrieb liegt in den Bergen in der Nähe von Mende und umfasst 60 Milchkühe und 50 Fleischkühe. | Marion Durand

Chanteruejols (Frankreich)

Das Lächeln von Pierre Privat, wenn er von seinen Tieren spricht, sagt alles. Seine Milchkühe sind zum ersten Mal in diesem Jahr auf der Weide: „Ich habe sie gerade rausgelassen“, erklärt der junge Mann mit leuchtenden Augen. „Sie stehen bis Oktober auf der Weide, solange es genug Gras gibt, mehr brauchen sie nicht.“ Und Gras gibt es einige Wochen nach Frühlingsbeginn: In dem Dörfchen Chanterujols nordöstlich von Mende, auf etwa 900 m Höhe, erstrecken sich Wiesen, soweit das Auge reicht. Ein Teil von Pierres Rindern befindet sich noch im Stall und wird bald auf höher gelegene Weiden umziehen. Die Milchkühe grasen bereits friedlich in der Aprilsonne.

Der 21-Jährige hat bald sämtliche Etappen für die Übernahme des landwirtschaftlichen Betriebs hinter sich. Wie alle Projektträger des Départements ließ sich Pierre vom Point Accueil Installation (PAI) der Lozère unterstützen, einer Anlaufstelle für Existenzgründer in der Landwirtschaft. Eine derartige Struktur wurde in jedem französischen Departement eingerichtet.

Bis 2030 wird nämlich fast die Hälfte der französischen Landwirte im Rentenalter sein. Ihnen stehen weit weniger Neueinsteiger gegenüber, als nötig wären. Im Département Lozère ist die Ersatzrate außergewöhnlich hoch: Auf einen in den Ruhestand gehenden Landwirt kommt ein junger Landwirt, der sich niederlässt. Der Point Accueil Installation des Départements begleitet die angehenden Landwirte in dieser wichtigen Zeit, denn ihre Aktivität ist für die Gesundheit des Sektors von entscheidender Bedeutung.

Der PAI unterstützt Existenzgründer bei ihren Projekten

Hier werden die Aufgaben von den Jeunes Agriculteurs (JA) de Lozère übernommen, der Abordnung der Gewerkschaft auf Départementsebene, die sich um die Angelegenheiten der unter 35-Jährigen kümmert und dem nationalen Verband der Bauerngewerkschaften FNSEA nahesteht. Die vom Präfekten der Region mit einem Gütesiegel versehenen Strukturen, die die Aufgaben der PAI erfüllen, verpflichten sich zur Neutralität. „Der PAI ist völlig gewerkschaftsunabhängig, völlig neutral“, sagt Hervé Boudon, Vorsitzender der Junglandwirte des Départements Lozère und ehrenamtlich im Zentrum aktiv „Unsere Tür steht allen offen“. In der Lozère, wo 10 % der Bevölkerung von der Landwirtschaft leben, ist die Erneuerung der Generationen besonders entscheidend. Und die Zahlen sind gut: Für jeden Landwirt, der in den Ruhestand geht, lässt sich ein junger Mensch nieder. Auf nationaler Ebene ist das Bild weniger beruhigend: Mehr als jeder dritte Abgang wird nicht ersetzt, wobei laut den Zahlen des französischen Statistikinstituts Insee bis 2030 mehr als die Hälfte der Landwirte im Rentenalter sein wird.

Am Rande von Mende, der Präfektur des Départements Lozère, und nur wenige Schritte von der Landwirtschaftskammer entfernt, befinden sich die Räumlichkeiten des PAI. Christine Beaumevieille, die zuständige Referentin, empfing im vergangenen Jahr 189 Niederlassungswillige, zumeist Männer zwischen 20 und 35 Jahren.

Die Vertreter des PAI besuchten Albert Privat und seinen Sohn Pierre, der fast alle Etappen für seine Niederlassung als Landwirt absolviert hat
Die Vertreter des PAI besuchten Albert Privat und seinen Sohn Pierre, der fast alle Etappen für seine Niederlassung als Landwirt absolviert hat. | Marion Durand

„Wir unterstützen die Projekte der jungen Leute“, erklärt sie. „Unsere Aufgabe besteht darin, sie zu begleiten und sie an die Strukturen zu verweisen, die ihnen bei ihrer Niederlassung hilfreich sein können: die Landwirtschaftskammer, die MSA [Sozialversicherung für Landwirte], Banken, Versicherungen, Rechtsbeistände usw. ... Ihre Zahl ist groß.“ In der Regel vergeht zwischen dem Beginn der Niederlassung und der Konkretisierung des Projekts ein Jahr.

Ein Wechsel der Generationen

Aus diesem Grund besuchte Pierre den PAI bereits im April 2021, in seinem zweiten und letzten Lehrjahr. Pierre übernimmt den Familienbetrieb, wo er zunächst gemeinsam mit seinem Vater Albert arbeiten wird. Eine zeitversetzte Übergabe, die für den jungen Landwirt selbstverständlich war. „Das hatte ich schon immer vor“, erzählt der junge Mann, der einem grünen Overall und robuste Gummistiefel trägt. „Und ich kann mir nicht vorstellen, diesen Betrieb zu verlassen und einen anderen zu übernehmen.“

Gemeinsam mit seinem Vater hat der Sohn auf dem Hof der Familie eine landwirtschaftliche Betriebsgemeinschaft (Groupement Agricole d'Exploitation en Commun, GAEC) gegründet
Gemeinsam mit seinem Vater hat der Sohn auf dem Hof der Familie eine landwirtschaftliche Betriebsgemeinschaft (Groupement Agricole d'Exploitation en Commun, GAEC) gegründet. | Marion Durand

Pierre hilft seinem Vater bereits seit langem, und jetzt haben die beiden Männer zusammen eine Gesellschaft gegründet. „Wir treffen Entscheidungen gemeinsam“, sagt Albert, 54, der eine graue Mütze auf dem Kopf trägt. „Ich lasse ihm einen gewissen Freiraum, das ist Sinn der Sache. Er muss sich ein bisschen in den Betrieb einbringen“.

„Mein Vater vertraut mir, das ist kein Problem“, erklärt Pierre. „Natürlich sind wir uns nicht immer einig, das nennt man Generationenkonflikt“, fügt er hinzu. Es dauerte fast zwei Jahre, bis er seinen Vater davon überzeugen konnte, eine Maschine zu kaufen. Eine langwierige Verhandlung, über die er heute gerne lacht. „Ich hatte das Gefühl, dass es für ihn undenkbar wäre, einen Futtermischer [ein Gerät, mit dem homogene Futterrationen für die Tiere gemischt werden] zu kaufen. Früher hat er morgens und abends von Hand gefüttert, das war mehr Arbeit. Er sah nicht ein, warum sich das ändern sollte, weil er es schon immer so gemacht hatte und es immer funktioniert hatte“, sagt Pierre amüsiert. Die Investition, die in dem Plan für seine Niederlassung vorgesehen war, erfolgte schließlich im Januar dieses Jahres. „Letztendlich bereut er es nicht!“

Erfahrungen weitergeben

Der PAI ist auch eine Gelegenheit für bereits niedergelassene Landwirte, dank ihrer Erfahrung Neueinsteiger zu beraten. Die von Christine angeworbenen Betriebsleiter berichten regelmäßig bei den obligatorischen Schulungen für junge Menschen, die sich niederlassen wollen, über ihre Erfahrungen. „Wir wollen verhindern, dass sie dieselben Fehler machen wie wir selbst, wir warnen sie vor bestimmten Dingen, die uns selbst am Anfang Probleme bereitet haben“, erklärt Nathan Mouret, Landwirt und Leiter des IAP, der bereits beim Lehrgang mitgewirkt hat.

Die Landwirte ermutigen die jungen Leute insbesondere dazu, erst als Angestellte zu arbeiten, um Erfahrungen zu sammeln, bevor sie einen eigenen Betrieb übernehmen. So würde ihnen auch Zeit für das Privatleben bleiben. „Wenn man erst einen eigenen Hof mit Tieren hat, ist es viel schwieriger, eine Familie zu gründen“, erklärt Hervé. „Ich habe mit 29 Jahren meine Existenz gegründet, nachdem ich sieben Jahre lang Erfahrungen gesammelt und mein Familienleben vollständig aufgebaut hatte. Ich bin mir nicht sicher, ob das so gut gelaufen wäre, wenn ich mit 18 Jahren einen Hof übernommen hätte.“

Der Generationswechsel ist ein wichtiges Thema in der Landwirtschaft und ein zentrales Anliegen des Sektors. Während sich viele Blicke auf Brüssel richten, wo derzeit die Pläne der Mitgliedstaaten für die Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) auf nationaler Ebene für den Zeitraum 2023-2027 geprüft werden, konzentriert sich Hervé auf die Region. Diese ist für die Festlegung der Beträge und die Auszahlung der DJA (Dotation Jeunes Agriculteurs, Niederlassungsprämie für Junglandwirte) zuständig, einer Beihilfe, die größtenteils durch die GAP finanziert wird.

„Es wäre gut, wenn es der Region gelingen würde, eine angemessene DJA aufrechtzuerhalten,“, erklärt Hervé, diesmal in seiner Rolle als gewählter Gewerkschaftsvertreter. Im Jahr 2021 haben sich in der Lozère rund 50 Landwirte mit dieser Hilfe niedergelassen, das ist die Hälfte aller Neuansiedlungen. Der PAI wird im Rahmen des Programms AITA zur Unterstützung der Niederlassung und Betriebsübernahme in der Landwirtschaft finanziert, um funktionieren zu können, und kann auch von bestimmten europäischen Fonds profitieren, wie das Beispiel des EFRE-ESF-Programms in der französischen Region Languedoc-Roussillon aus dem Jahr 2014 zeigt.

Das hier ist der Betrieb unserer Familie. Wir nutzen die Ländereien seit Generationen und kennen sie fast auswendig. Dasselbe gilt für die Tiere, beharrt Pierre Privat
„Das hier ist der Betrieb unserer Familie. Wir nutzen die Ländereien seit Generationen und kennen sie fast auswendig. Dasselbe gilt für die Tiere“, beharrt Pierre Privat. | Marion Durand

In Chanterujols weiß Pierre nicht, was der morgige Tag bringen wird. „Es ist nicht einfach, vorauszuplanen, man weiß nicht, was uns in zehn Jahren erwartet. Vielleicht müssen wir uns stärker diversifizieren, die Produktion umstellen ... Das kann niemand genau vorhersehen“, sagt er. Trotz dieser Ungewissheit und der Nachteile des Berufs ist Pierre überzeugt, seinen Platz gefunden zu haben. „Das hier ist der Betrieb unserer Familie. Wir nutzen die Ländereien seit Generationen und kennen sie fast auswendig. Dasselbe gilt für die Tiere“, sagt er. „Wir sind wirklich leidenschaftliche Landwirte“.

Bevor sie den Betrieb verlässt, schließt Christine den Kreis. Sie fragt Pierre: „Wärst du bereit, beim nächsten Lehrgang den Teilnehmern von deinen Erfahrungen zu berichten?“.

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